Gedankensplitter 2015

Dezember 2015
Im letzten Bürger-Echo gab es beim Druck unserer Kirchenseite eine technische Panne. Durch ein Versehen wurden die Fotos aus der vorletzten Ausgabe über den Text und die Fotos der Konzert-Rückschau gedruckt. Für die Chormitglieder, die den Artikel gespannt erwartet hatten, sicher ein Ärgernis. Die Enttäuschung darüber war zu spüren. So verständlich diese ist, aber ist es andererseits nicht völlig normal, dass wir Menschen in unserem Handeln auch Fehler machen? Im konkreten Fall war es nur eine kleine Enttäuschung. Aber wie oft erlebe ich es, dass von anderen verlangt wird, immer alles zu 100 Prozent perfekt zu machen und wehe, dem ist nicht so…… So schaffen wir mit unseren überzogenen Erwartungen ein sehr unfreundliches Klima.
In wenigen Tagen feiern wir Weihnachten. Wir lassen uns von einem kleinen Kind anrühren. Ein Kind hat keine Erwartungen außer denen, Zuwendung, Zuspruch und Behütung zu erfahren. Davon kann es nicht genug bekommen, alles andere ist nicht so wichtig. Auch wir Erwachsene fühlen im Grunde genau so. Wenn wir jetzt mitten in den Vorbereitungen auf das Weihnachtsfest stecken, sollten wir uns dessen besinnen.


November 2015
Rückt ein so entsetzliches Geschehen wie die Anschläge in Paris in unsere Nähe und könnte also auch uns treffen, dann macht uns das Angst. Diese wiederum läßt in uns auch Gefühle und Gedanken aufkommen, die zwar verständlich sind, aber zu einer guten Lösung nichts beitragen. Verwünschungen und Hassgefühle sind nun einmal keine guten Berater. Ganz im Gegenteil. Für wirklich geeignete Lösungsansätze wird uns nichts anderes bleiben, als alle Rachegedanken wegzuschieben und ernsthaft über die Ursachen der zunehmenden Gewalt nachzudenken. Viele davon haben wir jahrzehntelang ignoriert. Gewiß, dies fällt nicht leicht. Aber was bleibt uns, wenn wir uns allein vor Augen halten, dass wir völlig machtlos sind gegenüber Menschen, die bereit sind, für Ihre Überzeugungen zu sterben? Was müssen Menschen erleben und welche Lebensumstände tragen dazu bei, so zu handeln und sinnlos Angst und Schrecken zu verbreiten? Von unserem Wesen her sind wir Menschen nicht so. Für einen Weg zum Frieden bleibt für uns die Herausforderung, uns von unserer Angst nicht lähmen und nicht zu Hass verleiten zu lassen


 Oktober 2015
Mit Ihren Erntedankgaben haben wir auch dieses Jahr wieder die Tafel in Bad Langensalza unterstützt. Im Namen aller Menschen, welche auf die Tafel angewiesen sind, darf ich den Dank dieser Einrichtung an alle Spender weitergeben.
Die alltäglichen Sorgen dieser Menschen sind leider eine bittere Seite unserer Gesellschaft. Dazu kommen die vielen Menschen, die derzeit in unserem Land nach Zuflucht und Hilfe suchen. Sie haben allen Anspruch darauf, unterstützt zu werden. Aber es bleibt auch ganz wichtig, die Not aller hier lebenden Menschen wahrzunehmen und zu helfen. Es darf nicht passieren, dass die Nöte und Sorgen von Menschen gegenseitig aufgerechnet oder gar ausgespielt werden. Albert Einstein hatte eine Haltung, die grundsätzlich solches Denken verhindert. Für ihn zählte nicht die Gruppe, das Volk, die Religionsgemeinschaft, sondern allein der Mensch. Ihn als Individium wahrnehmen, mit ihm konkret die Ängste, Sorgen, freilich auch die Freude zu teilen, hatte für ihn oberste Priorität
So haben wir uns ganz bewusst dafür entschieden, die Erntedankgaben, wie in den Jahren zuvor, der Tafel zur Verfügung zu stellen.


September 2015
Was meinen Sie, denkt und empfindet die Mehrheit unserer Bevölkerung? Bekommen wir eine richtige Antwort, wenn wir nach der überwiegenden Haltung unseres überschaubaren Bekanntenkreises fragen? Oder im Fernsehen die Tagesschau oder die vielen Talksendungen anschauen? Vor wenigen Wochen noch konnten wir da den Eindruck gewinnen, eine Mehrheit ist rechtsnational und fremdenfeindlich eingestellt. Derzeit vermitteln die Medien ein Bild großer Empathie und Hilfsbereitschaft gegenüber den Flüchtlingen. Ein freundlicheres Bild gewiss. Aber auch wenn die öffentlichen Medien niemand direkt steuert, bleibt für mich ein Fragezeichen nach der Stimmigkeit und Vollständigkeit der verbreiteten Informationen in den Medien. Zu komplex und vielfältig ist unsere Gegenwart. Und so kommt es, dass sehr viele neue Entwicklungen, die schon vorhanden, aber noch nicht direkt spürbar sind, nur mit gezielter Suche gefunden werden. Haben Sie zB. gewusst, dass nach einer Umfrage sich fast 90% der Deutschen eine ökosoziale „Neue Wirtschaftsordnung“ wünschen? Eine daraufhin erfolgte repräsentative Nachfrage des Bundesumweltministeriums ergab, dass das „Bruttonationalglück“ von 67 % als oberstes Ziel der Wirtschafts- und Sozialpolitik gewünscht wird. Sind solche Zahlen nicht anspornend, das vermittelte Bild der Gegenwart zu hinterfragen und hoffnungsvoll Neues zu denken und zu versuchen, es umzusetzen?


August 2015
Wir Menschen sind von unserer evolutionären Entwicklung her absolute Bewegungswesen. Um an Nahrung zu kommen, mussten unsere Vorfahren oft stundenlang unterwegs sein. Auch wenn dies lange her ist, unsere Körper funktionieren immer noch in der gleichen Weise – wir brauchen Bewegung! Man spürt es daran, wie gut uns Sport tut – körperlich wie seelisch. Vielleicht nicht unbedingt der Leistungssport. Sondern dann,wenn wir uns völlig frei von jeglichen Ehrgeiz und Leistungsdenken bewegen. Unterwegs sein, ohne Musik, allein mit sich selbst, seinen Gedanken und Empfindungen. Der Körper findet von allein sein Tempo. Die Gedanken werden frei. Ganz oft kommen dann Ideen und Lösungen, so manche Predigt habe ich im Laufen entwickelt. Aber nicht nur der Kopf wird frei und offen für kreative Gedanken. Auch der Seele tut es gut, wenn wir uns intensiv bewegen. Das kann soweit gehen, dass selbst schmerzhafte und unangenehme Erlebnisse bei körperlicher Betätigung besser bedacht und verarbeiten werden können. Woran mag dies liegen? Ganz offensichtlich tut uns Aktivität in vielfacher Hinsicht gut. Sie entspricht unserer Natur. Es ist auch mal ganz schön, sich durch Medien berieseln zu lassen und so mal abzuschalten. Aber eigenes aktives Leben befriedigt tiefer und nachhaltiger. So zumindest erlebe ich es immer wieder. Auch die Idee zu diesem Gedankensplitter kam mir beim Joggen.


Juli 2015

Schnell kommt es im Alltag vor, dass ein Streit eskaliert und Ärger und Missstimmung zur Folge hat. Nicht selten leiden alle Beteiligten darunter und oft dauert es sehr lange, bis der Ärger verflogen ist. Streit, Auseinandersetzungen sowie unterschiedliche Meinungen werden sich allerdings niemals verhindern lassen. Ganz im Gegenteil – Streit ist wichtig, um Klarheit zu gewinnen. Wie aber streiten, dass es nicht zu Kränkung kommt? Dazu gibt es verschiedene Wege und Rituale und lebenskluge Menschen lassen sich darauf ein und nutzen diese. Eine sehr wirkungsvolle Lösung, Streit versöhnlich ausgehen zu lassen, habe ich neulich in einer Familie erleben dürfen. Anstelle endlos zu schimpfen, zu drohen und zu maßregeln, wird das Kind in den Arm genommen, gedrückt, geherzt, bis sich ein befreiendes Lachen auf beiden Seiten einstellt. Sicher funktioniert dieser direkte Weg nicht immer und unter allen Umständen. Aber mit viel Phantasie abgewandelt und umgesetzt, dürfte er ganz oft funktionieren, auch unter Erwachsenen und auch außerhalb von Familienmitgliedern. Selig sind die Friedfertigen – in seiner Bergpredigt ermutigt Jesus die Menschen zu solch einer Lebenshaltung. Das ist keine utopische Hoffnung, sondern deckt sich doch zum großen Teil mit unseren Sehnsüchten, die wir leider im Streit zu oft ignorieren. Warum es also nicht auch mal mit der Lösung versuchen, die sich in einer Familie sehr oft bewährt? Es kostet vielleicht zunächst ein wenig Überwindung, ich aber kann bezeugen, dass er in seiner Wirkung großartig ist.


 Juni 2015
Diesmal in Form einer Fabel: Es war einmal … ein Wettlauf der Frösche. Das Ziel war es, auf den höchsten Punkt eines grossen Turms zu gelangen. Es versammelten sich viele andere Frösche, um zuzusehen und ihre Artgenossen anzufeuern. Der Wettlauf begann. In Wirklichkeit aber glaubte keiner von den Zuschauern daran, dass auch nur ein Frosch auf die Spitze des Turmes gelangen könnte, und alles, was man hörte, waren Sätze wie: „Die Armen! Sie werden es nie schaffen!“ Und so kam es auch, ein Frosch nach dem anderen gab auf. Und die Zuschauer fuhren fort zu sagen: „Die Armen! Keiner wird es schaffen!“ Tatsächlich scheiterten immer mehr Frösche an ihrem Vorhaben. Schlussendlich hatten alle Frösche ihr Ziel aufgegeben. Nur ein Frosch, scheinbar ein Dickschädel, hatte ganz alleine und unter grosser Anstrengung die Spitze des Turmes erreicht. Die anderen wollten nun von ihm wissen, was ihn zu dieser außerordentlichen Leistung befähigt habe. Einer der anderen Frösche näherte sich ihm, um zu fragen, wie er es geschafft hätte, den Wettlauf zu gewinnen. Da merkten sie, dass er taub war! Sei Dir also stets der Kraft bewusst, die Worte haben, die Du hörst oder liest. Sei immer taub, wenn jemand Dir sagt, Du könntest deine Träume nicht verwirklichen. Solche Worte stehlen Dir die Hoffnungen und Sehnsüchte Deines Herzens!


Mai 2015
Im Juni werden 7 Künstler im Schlosspark an ihren Skulpturen arbeiten – dieses Jahr zum Thema „Durchblick“. Zeitgleich wird im Schlosshotel eine Fotoausstellung zu sehen sein. Kunst, gleich welcher Art, ist ein kreativer Prozeß der Auseinandersetzung mit der Gegenwart und dem Ziel, „Durchblick“ zu gewinnen und andere Menschen daran teilnehmen zu lassen. Dies kann in einem großen Rahmen wie zum Bildhauersymposium oder der Präsentation in einer Ausstellung geschehen. Aber Kunst sollte nicht nur so „groß“ gedacht werden. Kunst ist alles, was als Ergebnis bewußter und schöpferischer Beschäftigung mit dem Leben entsteht. Dies ist auch im Kleinen möglich und wichtig – im Kreis der Familie, der Freunde oder auch nur für sich selber. Kunst in diesem Sinn ist ja eigentlich Grundbedürfnis aller Menschen, ein Akt des Schaffens und des Veränderns unserer Umwelt. So verstanden können und sollten wir alle Künstler sein – Lebenskünstler für eine Welt, in der wir Durchblicken und in der es sich deshalb gut leben lässt.


April 2015
Ich bin unterwegs, da klingelt mein Handy. Kerstin Werthmann ruft an: „Uwe, letzte Woche war der Abgabetermin für das Bürger-Echo“. Dass die 4 Wochen schon wieder vorbei waren, das konnte doch nicht sein. Aber es war so. Und wie gut ist es, wenn dann jemand darauf aufmerksam macht und nicht denkt: „ist ja nicht mein Problem“ Danke dafür, Kerstin. Also nun völlig unvorbereitet und unter Zeitdruck Gedanken sammeln, schriftlich formulieren und die Seite gestalten. Wieder einmal wird mir bewußt, dass wir immer wieder Phasen des Abstandes und Nachdenkens brauchen, um auf unser Leben, Denken und Tun zu schauen. Ob Beruf, Partnerschaft, Freundschaften, Freizeit, Hobby – Zeiten des Insichgehens, des scheinbaren Müßigangs sind nötig, um nicht automatisch im Leerlauf zu funktionieren. Dafür ist unser Leben viel zu wunderbar. Es ist diese aktiv gelebte (scheinbare!) Faulheit, die zur Erfahrung führt, wie schön unser Leben doch ist.


März 2015
Das Leben auf dem Dorf zeichnet sich durch große Nähe aus. Man kennt sich und weiß umeinander. Dies kann sehr schön sein, weil es dem menschlichen Grundbedürfnis entspricht, wahrgenommen zu werden. Allerdings ist damit eine besondere Verantwortung verbunden. Wir müssen sehr sorgsam sein mit dem, was wir untereinander erzählen und weitergeben. So kann gedankenlos oder auch nur so leichthin Ausgesprochenes eine sehr unschöne Wirkung haben. Vermutungen zB. können sehr schnell zu Tatsachen und Gewissheiten werden. Menschen geraden dann völlig grundlos an den Pranger und die Gemeinschaft ist vergiftet. Dies dann zu bereinigen, ist oft sehr schwierig.
Viel einfacher ist es dagegen, nur das weiterzugeben, was ich selber ganz eindeutig gesehen habe. Und selbst dann stellt sich die Frage: Ist es wirklich gut, dass jetzt ins Dorfgespräch zu bringen? Ist es nicht besser, unter vier Augen zu klären, was mich bedrückt? Nur so wird die Nähe des Dorfes wirklich ein für uns alle gutes Lebensumfeld.


Februar 2015
Wolfgang Zott schrieb in seinem Gedankensplitter auch vom Acker, den es zu bestellen gilt. Ein schöner Gedanke. Er hat mich angeregt, ihn in Bezug auf den „Lebensacker“ weiterzudenken. Wenn wir auf dem Lebensacker säen, dann gilt die menschliche Urerfahrung, dass es keinen 100% Ertrag gibt, nicht alles aufgeht. Es ist völlig normal, dass nicht alle Bemühungen zum angestrebten Ziel führen. Und dennoch sind diese Anstrengungen nicht umsonst, auch sie sind Teil unseres Lebensreichtums. Wir werden menschlich ärmer, wenn wir unser Leben nur nach Effektivität optimieren und bewerten. Solche Versuche erzeugen Hektik, Unzufriedenheit und führen nicht selten zu menschlicher Härte – sich selbst wie auch anderen gegenüber. Die im Beitrag zur Fastenzeit stehende Meditation will uns ermutigen, in Gelassenheit den Lebensacker zu bestellen und uns neugierig auf neue Lebenswege einzulassen.
Übrigens heißt eine Skulptur in der Nähe von Heßwinkel „Anderer Weg“ – er führt uns weg vom vorgegeben Weg.


Januar 2015 – Gast – Gedankensplitter von Wolfgang Zott
Die Weihnachtszeit mit all ihrem Trubel und vor allem mit ihrer Besinnlichkeit liegt schon weit hinter uns. Liebevoll haben wir alle möglichen Menschen bedacht, die uns mehr oder weniger nahestehen. Nun aber stehen wir am Beginn des neuen Jahres und jeder richtet sich darauf ein, seinen eigenen Acker zu bestellen – im übertragenen wie auch im wörtlichen Sinn. Dabei wird mir bewusst, das es leider gar zu viele Menschen gibt, die einfach gar nichts zu bestellen haben. Vielleicht hatten sie sogar einst einen richtigen Acker, von dem sie fliehen mussten, vielleicht war auch die Hoffnung auf ein sicheres Leben ihr einziger Besitz. Wenn wir mit Freude und Elan an die Gestaltung des vor uns liegenden Jahres gehen, sollten wir vielleicht auch für diese Menschen mehr als nur ein Schulterzucken übrighaben. Vielleicht sind ja noch ein paar freundliche Gedanken aus der Weihnachtszeit übrig?


Anmerkung
Während eines Gespräches und der Sammlung von Ideen zum Gedankensplitter mit Wolfgang Zott war auf einmal die Idee da, ob es nicht bereichernd für den Gedankensplitter sein könnte, wenn gelegentlich jemand anderes sich an dieser Stelle mit seinen Gedanken zu Wort meldet. Was meinen Sie? Ein Anfang ist heute gemacht – dieser Gedankensplitter wurde von Wolfgang Zott geschrieben. Ihm sei dafür recht herzlich gedankt. Vielleicht ermutigt Sie das, es auch einmal zu versuchen? Wir würden uns freuen!

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